Der menschliche Körper hat über 650 Muskeln, und nahezu alle benutzen wir beim Rudern. Lasst uns das mal im Detail anschauen!
Was genau bedeutet die Aussage, dass wir alle unsere Muskeln nutzen? Wie genau läuft das ab? Schauen wir uns mal an was Experten dazu sagen.
Dr. Schmölzer, ein österreichischer Spezialist für Sportmedizin und viermaliger Teilnehmer an Olympischen Spielen, hat Folgendes dazu zu sagen. „Es ist einzigartig und kann von kaum einer anderen Sportart im gleichen Maße behauptet werden“, erklärt der Arzt und Vierfach-Weltmeister. Die meiste Arbeit beim Rudern übernehmen die Beine, aber auch unsere Arme, Hüften, Rücken und Oberkörper werden intensiv beansprucht. „Insbesondere die Regionen rund um Bauch, Beine und Po werden extrem beansprucht. Rudern ist eine hervorragende Alternative zu Aerobic und anderen Ganzkörpertrainingseinheiten.“ Während ihr im Boot seid, muss euer Körper verschiedenste Muskelgruppen koordinieren. Und das in einer Art und Weise, dass man schon fast von einem „Muskelmanagement“ sprechen muss. „Wenn ein Athlet zum ersten Mal ins Boot steigt, ist es daher fast unmöglich, die Technik sauber auszuführen“, sagt Schmölzer. „Um die parallelen Muskelschleifen der Ruderbewegung, zum Beispiel vom Arm zum Oberkörper, zu den Hüften und Beinen in den Griff zu bekommen, braucht es Übung.“ Die Verkettung dieser Muskelbewegungen macht Rudern zu einer der herausforderndsten Sportarten überhaupt. Aber nicht nur die äußeren Muskelgruppen werden beansprucht, sondern man darf die Übungen für Herz und Lungen nicht vergessen.
Eine der größten Herausforderungen im Sport – das 2000m Ruderrennen
Jürgen Steinacker, Vorsitzender der FISA-Kommission für Sportmedizin, erklärt, was der Ruderer fühlt und was es bedeutet, wenn das Rennen 1000m oder 2000m lang ist. Das 2000-Meter-Ruderrennen ist einer der körperlich anspruchsvollsten Wettbewerbe in der Welt des Sports. Ruderer gehören zu den Athleten mit den größten Lungenkapazitäten, den höchsten VO2-Maxima und der höchsten Toleranz gegenüber Laktatbildung. Also, was ist gerade in den Körpern dieser Ruderer über diese 2000 m abgelaufen? (mehr Infos auf Englisch: World Rowing). Was genau passiert dort?
Und ist es eigentlich wahr, dass die ersten 100 m eines 2000 m langen Rennens grundsätzlich „kostenlos“ für unsere Muskeln ist? Steinacker bestätigt dieses Gerücht. Während der ersten Schläge verbraucht ihr im Grunde nur die Energie, die in euren Muskeln gespeichert ist. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: „Der Start hängt hauptsächlich von eurer Muskelgröße und eurer Effizienz bei den Ruderschlägen ab. Mehr Muskeln und eine gute Technik ist gleichzusetzen mit einem schnellen Start.“
Was passiert in eurem Körper nach den ersten Ruderschlägen?
Die eben angesprochene Energie ist aber begrenzt, daher muss der Körper nach anderen Energiequellen suchen. Also beginnen wir schwerer zu atmen und „innerhalb von 1 Minute und 20 Sekunden habt ihr den maximalen Sauerstoffverbrauch erreicht, abhängig von eurer Fitness und eurem Training“, sagt Steinacker. Während sich euer Körper darauf einstellt, baut er Laktat auf.
„Dieses Laktat kommt danach aus den Zellen. Und es gelangt nicht direkt ins Blut, sondern muss transportiert werden. Das dauert einige Zeit “, sagt Steinacker. Während es sich während der 2. Minute beim Rudern aufbaut, erreicht der Ruderer nach etwa 3 Minuten den ersten „Laktathöhepunkt“.
Dies bedeutet, dass Ruderer nach etwa 3 Minuten ihren maximalen Sauerstoffverbrauch und ihren maximalen Laktatspiegel erreicht haben. Das einzige Problem dabei ist, dass es ja trotzdem noch so weitergeht. Eigentlich erreichen wir nach ca. 1000m tatsächlich unser Maximum. Das ist die volle Kapazität. Aber dann geht es ja nochmal weiter. „… und genau dann beginnt das eigentliche Rennen“, sagt Steinacker.
Und dann kommt sogar noch mehr dazu. Während ihr euren körperlichen Maximalpunkt erreicht, erreicht ihr nach einer kurzen Weile auch euren mentalen Höhepunkt. Es ist nicht wie bei anderen Sportarten, ein kurzer Sprint hier und da oder ein Fokus auf Ausdauer, während man nicht völlig an seinem Limit ist. Als Ruderer erreicht man sein Limit bei der Hälfte, und genau dann geht’s weiter.
Als Ruderer muss man diese hohe Belastung für weitere 1000 m aushalten. Dies ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch geistig anstrengend. Steinacker sagt, dass ein hoher Laktataufbau im ersten Teil des Rennens die Muskeleffizienz im weiteren Verlauf des Rennens verringern kann. Wenn man sich also im ersten Teil überanstrengt, was gerade durch technische Mängel hervorgerufen wird, läuft man Gefahr an Geschwindigkeit zu verlieren.
Und was bedeutet es dann, wenn nicht 2000m, sondern 1000m gerudert werden?
Während beim 2000m Rennen die Fähigkeit das Limit aufrechtzuerhalten Vordergrund steht, kann die persönliche Technik bei einem 1000m Wettkampf einen größeren Einfluss haben. Ihr erreicht euren maximalen Laktatspiegel, müsst ihn aber nicht aufrechterhalten. Und ihr könnt euch schneller erholen. Die 2000m fordern sozusagen eigentlich nur mehr „Körner“. Damit einher geht allerdings ein viel besseres Verständnis eures Körpers. Kennt euer Limit. Eure Erholungsphasen. Ihr müsst wissen, wie ihr den perfekten Ruderschlag ausführt, während nach 4 Minuten euer Körper und all eure 650 Muskeln eigentlich nach einer Pause rufen. Es geht am Ende nicht nur um euer Training, sondern auch darum euren Körper zu kennen, eure Grenzen zu testen und vor allem zu verstehen.
Quellen und weitere Infos:
www.worldrowing.com/news/what-happens-the-body-during-rowing-race